Winterweizen hat die größte Bedeutung aller Getreidearten. Hohes Ertragspotential in Verbindung mit Ertragssicherheit machen ihn zur Stütze des Marktfruchtanbaues. Sinkende Erlöse erfordern produktionstechnisches Können und Know-how. Zum "Weizen" gehören zahlreiche botanische Arten. Weltweit angebaut wird der Weich- oder Saatweizen (Triticum aestivum), nur noch sehr geringe Bedeutung hat der Dinkel (T. spelta), der im vorigen Jahrhundert in vielen Teilen Deutschlands vorherrschte. Rund 10% der Weltproduktion entfällt auf Hartweizen (T. Durum), der vor allem im Mittelmeerraum angebaut wird. An warmen, trockenen Standorten wird auch in Deutschland ein Anbau versucht. Hartweizen ist besonders zur Herstellung von Teigwaren geeignet. Die Evolution des Weizens ist ein Musterbeispiel für Allopolyploidie (Kreuzungen von mehreren diploiden und tetraploiden Weizenformen, welche aus Vorderasien stammen).
Neben dem Ertrag ist Standfestigkeit wichtig, die durch Kurzstrohsorten erreicht wird.
Resistenzzüchtung wird in Europa vor allem gegen Gelbrost, außerdem gegen Mehltau
und Halmbruch durchgeführt.
In Europa ist Winterweizen vorherrschend. Winterfestigkeit ist vor allem
in Nord- und Osteuropa wichtiges Zuchtziel.
Weizen ist ein recht strenger Selbstbefruchter. Kreuzungen mit Wildarten sind relativ einfach und werden zur Übertragung von Resistenzen genutzt. Hybridzüchtug wird praktiziert, seit 1962 eine CMS-Quelle (Quelle für cytoplasmatische-männliche-Sterilität) entdeckt wurde. Neue Hybridsorten bringen bereits Höchsterträge.
Ein hoher Rohproteingehalt wirkt sich positiv auf die Brotbackeigenschaften des Weizens aus. Er kann in hohem Maße
durch das Klima, den Boden, die Sorte und die Düngung, besonders durch den Stickstoff, beeinflußt werden. Für das Segment
Keksweizen werden Sorten mit niedrigen Protein- und Glutengehalten bevorzugt. Für den Weizen ist die Kenntnis des
Rohproteingehaltes gewünscht, jedoch weniger backqualitätsbestimmend.
Nach dem Standardverfahren zur Rohproteinbestimmung nach Kjeldahl wird das Protein mit konzentrierter Schwefelsäure in
Gegenwart eines Katalysators zum Reaktionsprodukt Ammoniumsulfat aufgeschlossen. In einem zweiten Schritt wird das
Ammonium mit Wasserdampf destilliert und anschließend titriert. Aus diesem ermittelten Stickstoffgehalt wird durch
Multiplikation mit dem Faktor von 5,7 für Weizen und 6,25 für alle anderen Getreidearten der Rohproteingehalt errechnet
und nach Ermittlung des Feuchtegehaltes der Probe auf den Trockensubstanzgehalt bezogen. Neben dieser Standardmethode
haben sich die indirekte Methode der Nah-Infrarotspektroskopie (NIR-S) und das Dumas-Verfahren etabliert.
Die gewünschten Proteinwerte einer Handelspartie für Weizen sind in gewissem Grade marktabhängig. Es werden aber in der
Regel für Eliteweizen mehr als 14 % i.TM, für Aufmischweizen etwa 13 % i.TM und für normalen Backweizen 12 % i.TM gefordert.
Für Roggen werden im Handel keine Proteingehalte angegeben, jedoch zeigt sich, daß mit sehr niedrigen Proteinwerten (< 9 %)
die Backqualität sinkt.
Rohproteingehalt (in % TM) | Weizen | Roggen |
niedrig | 10,5 | 8,0 |
mittel | 12,5 | 10,5 |
hoch | 16,5 | 14,5 |
Die Höhe der Fallzahl von Weizen und Roggen wird vor allem durch die Witterung im Reife- und Erntezeitraum bestimmt.
Durch Auswuchs entstehen niedrige Fallzahlwerte. Mittlere Fallzahlen ergeben die besten Gebäckqualitäten.
Die Fallzahlmethode wird zur Qualitätsbestimmung von Schrot, Mehl und anderen stärkehaltigen Produkten angewandt.
Aus ihr lassen sich Rückschlüsse auf den Polymerisationsgrad der Inhaltsstoffe, auf den enzymatischen Zustand der Probe,
auf das zu erwartende Backvolumen und auf den Auswuchsgrad ziehen. Dieses viskosimetrische Meßverfahren basiert auf einer
schnellen Verkleisterung der Inhaltsstoffe (7g Schrot/25 ml Wasser). Eine zerkleinerte Probe wird in einer Glasröhre in
einem kochenden Wasserbad 60 s gerührt. Nachdem er ausgeklinkt wird, wird die Sinkgeschwindigkeit des Rührers gemessen.
Diese hängt ab von der Aktivität der Amylasen, die den Kleister verflüssigen. Eine Fallzahl setzt sich aus 60 s Rührzeit
und der Fallzeit des Rührers zusammen. Die Fallzahl 60 wäre dann eine Fallzeit von 0 s und damit das untere Maß der Bestimmungsmethode.
Fallzahlen über 300 werden ungenau und sind nicht genügend reproduzierbar. Handelspartien des Roggens müssen Fallzahlen
von etwa 100 und die des Weizens etwa 220 aufweisen.
Fallzahl | Weizen | Roggen |
niedrig | <150 | <100 |
mittel | 250 | 160 |
hoch | 300 | 250 |
Gluten bzw. Kleber ist das Reserveprotein des Weizens und bestimmt überwiegend die Backqualität. Der Sedimentationstest ist eine indirekte Methode zur Bestimmung der Glutenmenge und der Glutenqualität in Weizen, er wird für Roggen nicht angewendet. Die Quellung der Glutenteilchen in Milchsäurelösung beeinflußt die Sedimentationsgeschwindigkeit einer Mehlsuspension. Der Sedimentationswert ist das nach 5 Minuten sedimentierte Volumen an gequollenen Mehlteilchen, er wird dimensionslos angegeben. Die Sedimentationswerte liegen zwischen 8 bei kleberarmen Mehlen mit niedrigem Proteingehalt und 78 bei kleberstarken Mehlen mit sehr hohem Proteingehalt. Sowohl ein höherer Glutengehalt als auch eine bessere Glutenqualität führen zu langsamer Sedimentation und folglich zu höheren Sedimentationswerten.
Sedimentationswert | Weizen |
sehr hoch | > 50 |
gut | 35 |
befriedigend | 20 |
Der Brabender-Amylograph ist ein Rotationsviskosimeter. Mit dem aufgenommenen Amylogramm werden die
wichtigsten Verkleisterungseigenschaften der Quellstoffe und vor allem der Stärke in Verbindung mit den
Hydrolasen ermittelt. Dieses beschreibt maßgeblich das Backverhalten von Roggen. Aus dem Amylogramm werden
die Viskosität im Verkleisterungsmaximum in Amylogrammeinheiten (AE) und die Temperatur in Grad Celsius (°C)
im Verkleisterungsmaximum abgelesen, d.h. entscheidend ist der Punkt, bei dem die Verkleisterung der Suspension
ihr Maximum erreicht. Beeinflußt wird dies vor allem durch die Aktivität der Enzyme und durch die Beschaffenheit
und das Wasseraufnahmevermögen der Pentosane. In der Regel werden Schrotamylogramme aufgenommen (90 g Schrot/450 ml Wasser).
Eine niedrige Viskosität und Temperatur sind die Folge von hoher Enzymaktivität und/oder niedrigpolymerer Inhaltsstoffe
(Auswuchs oder feuchte, kalte Sommer) und deuten auf eine unelastische Brotkrume und ein insgesamt schlechtes
Backverhalten hin. Eine hohe Viskosität und Temperatur im gemessenen Amylogramm (heiße, trockene Sommer) würde
ebenfalls zu schlechten Backeigenschaften führen, in diesem Fall sind Teigverbesserungsmittel anzuwenden.
Der Roggen der Handelsklasse “Brotroggen” sollte mindestens 200 AE und 63 °C im Verkleisterungsmaximum ausweisen.
Amylo gramm |
Verkleisterungs- maximum AE |
Temperatur im Verkleisterungs- maximum °C |
niedrig | 200 | 62 |
mittel | 400 | 63 |
hoch | 600 | 64 |
Die Backfähigkeit des Weizens - sie bewirkt ein voluminöses, lockeres, gleichmäßig geportes, mit elastischer fester Krume hergestelltes Brot - wird vor allem durch das Gluten geprägt. Das Feuchtgluten, auch als Kleber bezeichnet, ist eine plastisch-elastische Substanz, die durch mechanisches Auswaschen der Stärke aus einem Weizenteig und Entfernen des anhaftenden Wassers gewonnen wird. Für die Bestimmung wird ein Mehl der Type 550 verwendet. Der Glutengehalt ist bezogen auf einen Mehlfeuchtegehalt von 14 %. Im Feuchtgluten werden etwa 85 % der teigbildenden Weizenproteine erfaßt, die aus dem hochmolekularen, wenig dehnbaren, elastischen Glutenin und dem niedermolekulareren, dehnbaren, wenig elastischen Gliadin besteht. Dieses Gluteneiweiß des Weizens nimmt unter allen Reserveproteinen eine Sonderstellung ein, weil es ein enormes Wasserbindevermögen hat, sowie die Eigenschaft besitzt, begrenzt quellende, elastisch -plastische Gele zu bilden. Diese funktionellen Eigenschaften weisen die Proteine des Roggens nicht auf. Die Glutenqualität ist zum überwiegenden Teil genetisch determiniert, wird aber durch die Düngung, vor allem mit Stickstoff und Schwefel, das Klima und den Boden beeinflußt.
Feuchtglutengehalt (in %) | Weizen |
gering | < 20 |
niedrig | 20 - 23 |
mittele | 24 - 27 |
hoch | > 28 |