Bodenmarktregulierung wirkt
Agrarstrukturverbesserungsgesetz BaWü
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In Baden-Württemberg sind die Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen seit 2010 weniger stark gestiegen als in anderen westdeutschen Ländern. Laut einem Fachbericht des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG) ist die Diskrepanz auf das baden-württembergische Agrarstrukturverbesserungsgesetz (ASVG) zurückzuführen. Autor des Fachberichts ist der ehemalige langjährige BLG-Geschäftsführer Karl-Heinz Goetz.
Seiner Analyse zufolge bewegten sich die landwirtschaftlichen Bodenpreise in Baden-Württemberg bis 2011 jahrzehntelang über dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer. Seither liegen die Kaufwerte in allen vier Regierungsbezirken darunter und sind gegenüber dem Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer weniger stark und erst mit zeitlicher Verzögerung angestiegen. Dies trifft auch für die Landkreise zu, in deren südlichem Teil der im ASVG ausgewiesene "besonderen Geltungsbereich zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die Agrarstruktur" entlang der Grenze zur Schweiz liegt.
Initiativen erfolglos
Mit der Föderalismusreform von 2006 war die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des landwirtschaftlichen Grundstückverkehrs vom Bund auf die Länder übergegangen. Als erstes und bislang einziges Land hat Baden-Württemberg bislang davon Gebrauch gemacht. Nicht zuletzt als Reaktion auf den verstärkten Flächenerwerb durch Landwirte aus der benachbarten Schweiz wurde im "Ländle" mit dem ASVG eine umfassende Landesgesetzgebung beschlossen, die am 1. Juli 2010 in Kraft getreten ist. Das Gesetz fasst die Regelungen zum siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht, zum Grundstückverkehrs- und zum Landpachtverkehrsrecht zusammen und passt sie an den Bedarf des Landes an. Ziel des ASVG ist es, Gefahren für die Agrarstruktur im Lande abzuwehren.
Die Diskussion um eine stärkere Regulierung des landwirtschaftlichen Bodenmarkts war insbesondere im Zuge der Finanzkrise und der damit einhergehenden wachsenden Nachfrage von Nicht-Landwirten Ende der Nuller Jahre vor allem in Ostdeutschland entbrannt. Der BLG hatte das ASVG als Blaupause für bodenpolitische Initiativen in den Ländern ins Gespräch gebracht. In den Jahren 2012 und 2015 hatte der Verband zwei Gutachten zur Weiterentwicklung des bodenpolitischen Ordnungsrahmens für die Landwirtschaft vorgelegt. Darin war die Grundgesetz- und Europarechtskonformität des ASVG bestätigt worden. Die Autoren hatten empfohlen, Regelungen der baden-württembergischen Vorlage für gesetzliche Vorhaben in anderen Ländern zu übernehmen und zudem sogenannte "Anteilsverkäufe" in die Grundstückverkehrskontrolle einzubeziehen. Mehrere Gesetzesinitiativen in den neuen Ländern sind seither erfolglos geblieben.
Weniger Verkäufe
Wie aus dem Fachbericht des BLG hervorgeht, geht seit dem Inkrafttreten des ASVG 2010 in Baden-Württemberg die Anzahl an Verkaufsfälle und der veräußerten Flächen dem Fachbericht zufolge stärker zurück als in den übrigen westdeutschen Ländern. Dadurch ist auch der rechtsgeschäftlich übertragene Anteil an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche geringer. Der "Wendepunkt" bei der Kaufpreisentwicklung liegt laut Bericht im ersten Jahr nach Inkrafttreten des ASVG. Da auch in den anderen westdeutschen Bundesländern der Grunderwerb auf Grundlage des Grundstückverkehrsgesetzes behördlich kontrolliert werde, wirke das ASVG preisdämpfend, heißt es in der Veröffentlichung. Auch bei den Pachtpreisen seien für Baden-Württemberg ab 2010 durchgängig niedrigere Steigerungsraten als in fast allen anderen Bundesländern festzustellen.
In welchem Verhältnis die Dämpfung auf die präventive Wirkung des ASVG und den Gesetzesvollzug zurückgeht, könne mit dem zugänglichen Datenmaterial nicht beurteilt werden, räumt Autor Goetz ein. Zum Vollzug werde weder in Baden-Württemberg noch den anderen Bundesländern veröffentlicht, wie oft Versagungen wegen Preisüberhöhung ausgesprochen werden. Für die präventive Wirkung des Grundstückverkehrsrechts sei von zentraler Bedeutung, dass bei den Akteuren am landwirtschaftlichen Bodenmarkt nicht nur dessen Instrumente bekannt seien, sondern auch dessen Vollzug wahrgenommen werde.
Mehr Vorkaufsrechtsprüfungen
Der Fachbericht analysiert den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen getrennt nach Landwirten und Nichtlandwirten. Dies wird ermöglicht durch eine Statistik des Statistischen Landesamtes über Kauffälle nach der sozioökonomischen Stellung des Käufers, Haupterwerbslandwirt, Nebenerwerbslandwirt und "Nichtlandwirt". Vergleichbare Statistiken liegen aus den anderen westdeutschen Bundesländern nicht vor. Im Zeitraum 2011 bis 2020 wurden etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen an Nichtlandwirte verkauft und dies fast durchgängig zu höheren Kaufpreisen.
Wie aus dem Bericht hervorgeht, stieg die Zahl der Vorkaufsrechtsprüfungen mit dem Inkrafttreten des ASVG ab Juli 2010 an. Im Zeitraum von 2011 bis 2020 ist bei knapp einem Viertel der Erwerbe durch "Nichtlandwirte" der Verkaufsfall dem gemeinnützigen Siedlungsunternehmen, der Landsiedlung Baden-Württemberg, zur Prüfung der Ausübung des Vorkaufsrechts vorgelegt worden. Auch in Baden-Württemberg sind in der Mehrzahl der Fälle keine Zweiterwerber vorhanden. Im Schnitt der Jahre 2011 bis 2020 wurde bei 6,4% der Verkaufsfälle an "Nichtlandwirte" das Vorkaufsrecht durch die Landsiedlung ausgeübt. AgE
(30.12.2024)