DLG-Wintertagung

Paetow: Agrarpolitik braucht Ziele statt Zügel

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Eine übergriffige Agrarpolitik sieht der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Hubertus Paetow, als eigentliche Ursache für den gegenwärtigen Unmut in der Agrarbranche. Anstatt auf ordnungsrechtliche Leitplanken mit hinreichend Freiraum für unternehmerische Kreativität zu setzen, sei die Agrarpolitik durch fortgesetzte Versuche gekennzeichnet, "die Akteure mit fast planwirtschaftlicher Feinsteuerung einzuengen und zu entmündigen", sagte Paetow bei der DLG-Wintertagung am Dienstag (20.2.) in Leipzig. Der DLG-Präsident kritisierte zudem "ein überkritisches, ängstliches Innovations- und Technologieverständnis", das immer weniger zu der erforderlichen Entwicklungsgeschwindigkeit angesichts steigender Herausforderungen durch Krisen und globalem Systemwettbewerb passe. "Wir brauchen einen Staat, der den Fähigkeiten und der Bereitschaft der handelnden Akteure zu einer nachhaltigen Weiterentwicklung der Wirtschaft vertraut", betonte Paetow. Für die Agrarpolitik bedeute das, "Ziele statt Zügel". Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir signalisierte grundsätzliche Zustimmung, warnte aber davor, Umweltziele zu vernachlässigen.

Einen Wirkstoff nicht zum politischen Feind erklären

Paetow zufolge wird die Notwendigkeit eines nachhaltigen Umgangs mit Natur und Umwelt auch in der Landwirtschaft nicht mehr in Frage gestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, "dass sich der Staat mit einer aufwändigen und notwendigerweise wenig innovativen Feinsteuerung der Produktionsprozesse bemächtigt". Der DLG-Präsident verwies auf das Beispiel Glyphosat: "Wenn Dutzende Wissenschaftler der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit nach dreijähriger Prüfung tausender Studien zu dem Ergebnis kommen, dass ein Pflanzenschutzmittelwirkstoff bei sachgerechter Anwendung keine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt darstellt, dann gibt es keinen vernünftigen Grund, einen einzelnen Wirkstoff zum politischen Feind zu erklären." Auch ein Koalitionsvertrag sei in diesem Fall kein vernünftiger Grund.

Nicht auf der Höhe der Zeit

Auch bei den neuen Züchtungstechniken sieht Paetow die Politik nicht auf der Höhe der Zeit. Zwar gebe es auf europäischer Ebene ein Umdenken hin zu einem weniger fortschrittsfeindlichen Umgang mit dem Vorsichtsprinzip. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich diese Technologien in einem großen Teil der Welt durchsetzen, müsse man sich aber schon fragen, "worauf wir in Deutschland und Europa noch warten wollen". Hier stünden Agrarbranche, Wissenschaft und Industrie schon lange an der Seitenlinie, "und dürfen zuschauen, wie der Fortschritt anderswo für Wohlstand sorgt". Der DLG-Präsident räumte ein, dass keine Innovation ein Allheilmittel für alle Probleme sei. Das dürfe aber kein Grund sein, sie allein deswegen zu verbieten. Dadurch verenge man ohne Not auch den Spielraum für zukünftige Fortschritte, die auf einzelne innovative Verfahren aufbauen.

Kritik an der EU-Kommission

Minister Özdemir bezeichnete Erwartungen als berechtigt, "dass die Politik einen planbaren Rahmen gestalte, in dem Landwirtinnen und Landwirte ihre unternehmerischen Spielräume und Freiheiten nutzen können". Der Grünen-Politiker bekräftigte zugleich seine Kritik an der Brüsseler Entscheidung, Glyphosat bis 2033 zu genehmigen. Aktuell überarbeite die Bundesregierung die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung "im Sinne des Koalitionsvertrags für eine langfristige, planbare Perspektive". Mit Blick auf eine Lockerung der Stilllegungsverpflichtung im Rahmen der Konditionalität warf Özdemir der EU-Kommission vor, ihren ersten konstruktiven Vorschlag mehrmals zu Lasten der Biodiversität geändert zu haben. Wenn die Kommission jetzt die Aussetzung der verpflichtenden Mindestanteils an Brachflächen zur Förderung der Biodiversität aussetze, verlasse sie den Weg der Kompromissfindung mit den Mitgliedstaaten. Für die nationale Umsetzung sei es zentral, "dass die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe mit einem effektiven und praxistauglichen Schutz der Artenvielfalt zusammengebracht wird". AgE/rm (21.02.2024)
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