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Landwirte müssen sich auf ein mögliches Verbot von Pflanzenschutzmitteln einstellen, die den herbiziden Wirkstoff Flufenacet enthalten. Betroffen wären unter anderem Herbizide wie Elipris und Tactic, die zur Bekämpfung des Gemeinen Windhalms und von Ackerfuchsschwanz eingesetzt werden. Wie aus zwei Schreiben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hervorgeht, beabsichtigt die Behörde offenbar, die Zulassungen von allen flufenacethaltigen Pflanzenschutzmittel zurückzuziehen.
Die Schreiben, die AGRA Europe vorliegen, sind an die Hersteller der beiden genannten Herbizide gerichtet, außerdem an die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Hintergrund ist eine Klage, in der sich der eingetragene Verein auf Gesundheitsgefahren durch Flufenacet berufen hat. Die DUH bezieht sich dabei auf endokrinschädliche Eigenschaften des Wirkstoffes und die mutmaßliche Reproduktionstoxizität des Flufenacet-Metaboliten Trifluoressigsäure (TFA) sowie dessen Auswirkungen auf das Grundwasser.
Dieser Argumentation ist das BVL offenbar gefolgt. So erklärt die Zulassungsbehörde in ihren Ausführungen, dass "aufgrund neuer Erkenntnisse und einer damit geänderten Sachlage" die "Voraussetzungen für einen Widerruf aller Zulassungen gegeben sind".
Reproduktionstoxisch und endokrinschädlich
In den Schreiben führt das BVL aus, dass die Anforderungen für eine Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mit Flufenacet aufgrund von dessen endokrinschädlichen Eigenschaften nicht mehr erfüllt würden. Die Behörde verweist dazu auf die Schlussfolgerungen der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA), die dies zuletzt in einem Bericht festgestellt hat.
Auch geht das BVL von der Reproduktionstoxizität des Metaboliten TFA aus und merkt an, dass ein entsprechender Antrag zur Einstufung von TFA seitens Deutschlands Anfang des Jahres bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht wurde. Sollte dieser erwartungsgemäß zur Einstufung von TFA als reproduktionstoxisch führen, dann würden für TFA strenge Grenzwerte im Grundwasser gelten, die bereits heute an den meisten Messstellen überschritten würden.
"Erschwerend zu beachten" sei zudem, dass laut Daten des Umweltbundesamtes (UBA) Flufenacet jener Pflanzenschutzmittelwirkstoff sei, der mit Abstand die meiste TFA in die Umwelt abgebe.
Wann kommen die Verbote?
Unklar bleibt vorerst, zu wann die Zulassungsänderungen wirksam werden könnten. Wie aus den Schreiben hervorgeht, wurde den involvierten Firmen noch bis Ende Oktober die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben. Auch steht die Einstufung von TFA als reproduktionstoxisch bekanntlich noch aus. Der dazu laufende Prozess samt den anschließend anzufertigenden Verordnungen auf europäischer Ebene könnte sich über mehrere Jahre hinziehen.
Anders gestaltet es sich womöglich bei den hormonstörenden Eigenschaften von Flufenacet. "Diese Erkenntnisse zu endokrinschädlichen Eigenschaften des Wirkstoffs Flufenacet aus dem noch laufenden EU-Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung von Flufenacet dürften vorliegend bereits zum jetzigen Zeitpunkt heranzuziehen sein", heißt es dazu in den Schreiben des BVL.
Ebenso verwiesen wird auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom April dieses Jahres, in dem die Unabhängigkeit der EU-Mitgliedstaaten bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln klargestellt wird. Nach diesem könnte das BVL vermutlich noch vor Ende des laufenden Verfahrens auf europäischer Ebene aktiv werden.
Umwelthilfe fordert sofortiges Verbot
Die Umwelthilfe fordert ein sofortiges Verbot ohne Übergangs- und Aufbrauchfristen aller betroffenen Pflanzenschutzmittel. "Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit macht auf unseren Druck hin einen überfälligen Schritt: Es kündigt den Widerruf der Zulassungen für Tactic und Elipris und aller weiteren Pestizid-Produkte mit dem gefährlichen Wirkstoff Flufenacet an", kommentierte der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch, am Freitag (18.10.) in Berlin. "Die einzig logische Konsequenz der alarmierenden Warnung der EFSA kann nur das sofortige Verbot aller flufenacethaltigen Pestizide sein."
Derweil wollte das BVL selbst ein etwaiges Zurückziehen der Zulassungen nicht bestätigen. Zwar sei es richtig, dass das BVL aktuell die Zulassungsinhaber zu einem möglichen Widerruf anhöre. "Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir derzeit aber keine weiteren Auskünfte geben", so ein Sprecher des BVL gegenüber AGRA Europe. AgE
(22.10.2024)