Reaktionen auf Agrarpaket

Von Erleichterung bis Enttäuschung

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Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir begrüßte die Einigung der Fraktionschefs.
Die Einigung der Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP auf ein Agrarpaket löst wie erwartet ein unterschiedliches Echo aus. Während sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erleichtert zeigte und dabei wohl auch seinen Auftritt beim Deutschen Bauerntag am Donnerstag (27.6.) in Cottbus im Hinterkopf hatte, reagierte die Union kritisch. Özdemir sprach von einem "starken Paket, das die Landwirtinnen und Landwirte nicht nur entlastet, sondern sie darüber hinaus im Markt stärkt und sie besser gegen unlautere Handelspraktiken rüstet." Mit der Einführung der steuerlichen Gewinnglättung sorge man für mehr finanzielle Planungssicherheit der Betriebe. Schließlich werde massiv Bürokratie abgebaut. Offene Fragen gibt es offenbar noch bei der angekündigten Öko-Regelung für Milchviehbetriebe mit Weidehaltung. Er sei zuversichtlich, so der Grünen-Politiker, dass die Fraktionen in den kommenden Tagen eine gute Lösung finden werden, diese Betriebe und damit auch die Artenvielfalt zu stärken.
Nur Trostpflaster
Für Unionsfraktionsvize Steffen Bilger ist das Agrarpaket der Ampel hingegen "mehr als enttäuschend". Der erzielte Kompromiss sei kein ernstzunehmender finanzieller Ausgleich für den gestrichenen Agrardiesel, sondern nicht mehr als ein Minimalkonsens aus längst versprochenen und eingepreisten Maßnahmen, erklärte Bilger. Nach Auffassung von Agrarsprecher Albert Stegemann ist der Vorschlag "ein Trostpflaster für eine viel zu große Wunde". Allein der Wegfall des Agrardiesels und die steuerlichen Mehrbelastungen beliefen sich auf mehr als 500 Mio. Euro jährlich. Noch nicht miteingerechnet seien "die neuen bürokratischen und nutzlosen Dokumentationspflichten, die die EU gar nicht einfordert", sagte Stegemann mit Blick auf die geplante Beibehaltung der Stoffstrombilanz bei der Novelle des Düngegesetzes. CSU-Agrarsprecher Artur Auernhammer gab zu bedenken, dass dem Bundestag noch nichts außer Ankündigungen vorliege.
Keine echte Kompensation
Skeptisch äußerte sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied: "Dieses Päckchen ist ein längst überfälliger, aber nicht ausreichender Schritt." Zwar gehe das Agrarpaket in die richtige Richtung; es bleibe jedoch weit hinter den Anforderungen der Landwirtinnen und Landwirte zurück. "Echte Entlastungen sehen anders aus", betonte Rukwied. Zudem bleibe es in vielen Bereichen weiterhin lediglich bei Ankündigungen, denen jetzt zwingend Taten folgen müssten: "Unsere Landwirtinnen und Landwirte brauchen dringend Wettbewerbsgleichheit in der EU." Die nächsten Schritte müssten zunächst eine Rücknahme weiterer geplanter Belastungen wie der Novelle des Tierschutzgesetzes und des Pflanzenschutzprogramms der Bundesregierung sein. Dann müsse eine Lösung für erneuerbaren Agrardiesel und die Möglichkeit für eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage folgen. Von einer echten Kompensation der Belastungen und Steuererhöhungen der zurückliegenden Monate sei man noch immer Lichtjahre entfernt, so der DBV-Präsident.

Risikoausgleichsrücklage als bessere Alternative
Unzufrieden ist auch der Deutsche Raiffeisenverband (DRV). Nach Ansicht von Präsident Franz-Josef Holzenkamp wird das Agrarpaket den Frust in der Agrar- und Ernährungsbranche nicht beseitigen. Nach wie vor seien weder ein Gesamtkonzept noch nachhaltig spürbare Entlastungen zu erkennen. Die angekündigte Gewinnglättung reiche bei Weitem nicht aus. Eine sinnvollere Alternative wäre laut Holzenkamp die Risikoausgleichsrücklage gewesen. Beim Bürokratieabbau befürchtet der DRV wenig Konkretes und ein Ping-Pong-Spiel zwischen Bund und Ländern. Nötig sei stattdessen ein konkreter Plan, wann wie und wo die Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette schnell bürokratisch entlastet werden sollen. Als Lichtblick wertet Holzenkamp hingegen die Einigung auf eine zeitnahe Novellierung des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetzes (AgrarOLkG). Ein fairer Umgang innerhalb der Lieferkette dürfe keine Frage des Umsatzes sein. Die vom DRV schon lange geforderte Entfristung der Umsatzgrenzen müsse deswegen unbedingt berücksichtigt werden.

Gute Nachricht
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßte die vorgesehene neue Öko-Regelung für Milchviehbetriebe mit Weidehaltung als eine gute Nachricht und ein wichtiges Zeichen an die Landwirtschaft. Mit einer zusätzlichen Förderung von Grünlandbetrieben innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) werde eine seit 2021 bekannte Förderlücke geschlossen, auf die insbesondere die AbL immer wieder hingewiesen habe, sagte deren Sprecher für Agrarpolitik, Ottmar Ilchmann. Nun komme es darauf an, die Weideprämie praxistauglich und wirtschaftlich attraktiv auszugestalten. Das AbL-Vorstandsmitglied Elisabeth Waizenegger bezeichnete die vorgesehenen Änderungen im AgrarOLkG als einen ersten Schritt, um die Marktmacht der Erzeuger zu stärken. Umfassendere Maßnahmen wie etwa das Kaufverbot unter Produktionskosten und im Milchsektor eine Vertragspflicht vor Lieferung müssten zeitnah folgen. AgE (26.06.2024)
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